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Und, was machst du so?

8 Min. Lesezeit 

Wie häufig wurde jeder von uns das schon gefragt… Wohl kein anderer Satz fällt beim Kennenlernen anderer so häufig wie dieser. Auf Studentenparties fängt es an und hört nie wieder auf. So als ob man erst einmal validieren wollte, ob der vermeint­liche Gesprächspartner einer selbst würdig ist. Die unaus­ge­spro­chene Frage dahinter ist die nach deinem sozialen Stellenwert: „Bist du nützlich?“, „Trägst du deinen Teil bei?“ Sag mir, was du tust und ich sag dir, wer du bist.

Was mich hierbei erschreckt ist, dass dieser Arbeitsfetisch mittler­weile völlig unseren Verstand vernebelt und wirklich zum zentralen Inhalt unseres Lebens geworden ist.

Komm, nun frag…

 

Es ist fast egal, ob man – wie ich – etwas Unkonventionelles macht, oder gar nichts. Es scheint irgendwie ein deutsches Phänomen zu sein. Die Mimik des Gegenübers ist oft in etwa die gleiche, wie wenn man sagt, dass man „zur Zeit auf Arbeitssuche“ sei, oder offen zugibt, gar keinen Bock auf Arbeit zu haben. Geduldig versuche ich es jedes Mal zu erklären, dass ich durchaus viel arbeite. Nur eben anders. Insbesondere das Streben nach mehr Freiheit scheint vielen irgendwie ein Dorn im Auge zu sein.

Man sieht es oft im Blick des anderen. Man steht im Generalverdacht ein Arbeitsvermeider, ein Drückeberger zu sein, den fleis­sigen Steuerzahlern auf der Tasche zu liegen und andere noch dazu anzustiften, es einem gleich­zutun. Officeflucht? Das sagt ja schon alles. Ich bin schuld daran, dass die gesamte fleissige Gesellschaft in den Abgrund stürzt. Denn ich sage: Nicht jede Arbeit ist besser als keine Arbeit…

Dabei geht es gar nicht um den sozialen Nutzen eines jeden, als viel mehr um Prestige und Schwanzvergleich. Wollen Anwälte, Zahnärzte und Lobbyisten wirklich ausschließlich aus noblen Beweggründen diesen Job ausüben? Als Kind will man Feuerwehrmann werden, oder Astronaut. Nicht Steuerberater oder sowas. Natürlich geht es nur ums Geld. Wenn man als Advokat plötzlich nur noch die Hälfte verdienen würde, möchten dann immer noch alle „für die Gerechtigkeit einstehen“?

Diese Arbeits- und Karrieregeilheit wird uns von Kindesbeinen an einge­trichtert und hat sich in westlichen Industrienationen mittler­weile unerschüt­terlich manifes­tiert. Schon früh wird einem sugge­riert, das man ETWAS werden muss, nicht JEMAND.

ALS ICH FÜNF WAR, HAT MEINE MUTTER MIR IMMER GESAGT,DASS ES DAS WICHTIGSTE IM LEBEN SEI, GLÜCKLICH ZU SEIN. ALS ICH IN DIE SCHULE KAM, BATEN SIE MICH AUFZUSCHREIBEN, WAS ICH SPÄTER EINMAL WERDEN MÖCHTE. ICH SCHRIEB AUF: GLÜCKLICH. SIE SAGTEN MIR, ICH HÄTTE DIE FRAGE NICHT RICHTIG VERSTANDEN, UND ICH ANTWORTETE IHNEN, DASS SIE DAS LEBEN NICHT RICHTIG VERSTANDEN HÄTTEN.”
JOHN LENNON

Zugegeben, sicherlich strebt keiner einen 8.50 Euro Stundenlohn an. Geld ist notwendig, aber es bringt dir nicht viel, wenn du kaum Zeit hast oder unzufrieden bist. Nicht Geld ist das wahre Luxusgut, sondern Zeit. Schau dich um, das Geld liegt auf der Straße. Aber Zeit? Zeit ist begrenzt und jeder von uns hat nur 24 Stunden pro Tag und das etwa 30.000 Mal. Aber wenn die Zeit zu Ende geht, schenkt dir Geld auch nicht die Unsterblichkeit.

Und trotzdem verhalten wir uns so als ob. Wir tauschen das Kostbarste das wir haben für Geld, als wäre es eine unend­liche Ressource. Geld verändert nicht soviel wie wir glauben, oder wie uns die Gesellschaft verkaufen will. Es sollte nur ein Mittel zum Zweck sein und nicht unser Leben bestimmen. Wenn wir aber 5 Tage die Woche einem Job nachgehen, auf den wir eigentlich überhaupt keinen Bock haben, lassen wir zu, dass Geld unser Leben regiert. Wir kaufen ein Auto, um zur Arbeit zu fahren – und fahren zur Arbeit, um uns das Auto leisten zu können.

Erst letzte Woche hatte ich hier auf Bali ein sehr ausgie­biges Gespräch mit Rena, einem lokalen Taxifahrer, dessen Dienste ich öfters in Anspruch nehme. Er ist ein Strahlemann wie kaum ein Zweiter, sein schiefes Lächeln geht stets von Ohr zu Ohr. Er mag seinen Job.

Rena ist für deutsche Verhältnisse arm und dennoch reich. Reich an Freunden, reich an Lebensfreude. Egal wie weit und wohin wir fahren, kaum einen Ort durch­queren wir, in dem er nicht von jemandem angehupt und gegrüßt wird. Er erzählt mir, dass seine Familie seit Generationen Reisanbau betreibt, dass sein 85-jähriger Vater noch heute fast täglich in den Feldern steht. Sie arbeiten für ein “Zieleinkommen”. Der Reis wird nicht verkauft, sondern deckt nur den eigenen Bedarf. Von der Hand in den Mund quasi. Er könnte mehr arbeiten um mehr zu verdienen, aber er würde dann nichts anders machen als jetzt. Nur weniger Zeit hätte er.

Es erinnert mich an Heinrich Bölls Anekdote vom armen Fischer…

Irgendwo an einer Küste in Westeuropa: Ein ärmlich geklei­deter Fischer liegt am Hafen und döst. Ein reicher Tourist kommt vorbei, knipst einige Fotos und fragt mehrmals, ob es dem Fischer gut gehe und weshalb er denn nicht in See steche, um einen guten Fang zu machen. Als der Fischer ihm antwortet, dass er heute schon einen kleinen Fang gemacht habe, rechnet ihm der Tourist vor, was er sich mit noch mehr Beutefängen alles kaufen könne: in einem Jahr einen Schiffsmotor, in zwei Jahren ein zweites Boot, dann einen Kutter, ein großes Kühlhaus samt Räucherei und ein Fischrestaurant – und schließlich eine riesige Marinadenfabrik, mit der er die ganze Welt beliefern könne.”

Der Fischer bleibt sichtlich unbeein­druckt, was den Touristen umso nervöser macht. Was denn dann passiere, will der Fischer wissen: ‘Dann’, sagt der Fremde mit stiller Begeisterung, ‘dann könnten Sie beruhigt hier im Hafen sitzen, in der Sonne dösen – und auf das herrliche Meer blicken.’ – ‘Aber das tu ich ja jetzt schon’, sagt der Fischer, ‘ich sitze beruhigt am Hafen und döse, nur Ihr Klicken hat mich dabei gestört.’

Tatsächlich zog der solcherlei belehrte Tourist nachdenklich von dannen, denn früher hatte er auch einmal geglaubt, er arbeite, um eines Tages einmal nicht mehr arbeiten zu müssen, und es blieb keine Spur von Mitleid mit dem ärmlich geklei­deten Fischer in ihm zurück, nur ein wenig Neid.

Rena ist sich sicher, dass Geld nicht glücklich macht, dass ein profit­ori­en­tertes Leben einen nicht erfüllen kann. Viel lieber geht er abends mit seinen Freunden, seinen Nachbarn in den Tempel, oder verbringt zwischen seinen Fahrten Zeit mit der Familie. Als ich ihm erzähle, dass ich meine Nachbarn nichtmals kenne, kann er es nicht glauben. Ich erzähle ihm, dass die meisten Menschen lieber für sich sind, wenn sie von der Arbeit nachhause kommen und sie ihre Ruhe haben möchten. Und er erzählt mir, dass seine Nachbarn mit ihm sein Haus aufgebaut haben, noch bevor sie ihn kannten und dass wenn er nicht zuhause ist, seine Kinder zu den Nachbarn gehen, um sich Essensgeld für die Schule zu leihen. Es gäbe doch so viel wichtigere Dinge im Leben als Geld…

Stattdessen jagen wir dem Mammon hinterher, identi­fi­zieren uns durch einen Job der nunmal das notwendige Übel ist. Dabei kann Arbeiten auch etwas ganz anderes sein. Arbeiten kann Selbstverwirklichung sein und die Möglichkeit, uns selbst auszu­drücken, anderen Menschen zu helfen und etwas für die Nachwelt zu hinterlassen.

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Das große Fressen

 

Das nicht jeder sich traut diesen Weg zu gehen, ist völlig verständlich. Egal ob aus Angst oder Pflichtbewusstsein. Manch einer hat eine Familie für die er alleine zu sorgen hat, oder pflege­be­dürftige Eltern oder sonst etwas, dass man nicht einfach aussen vor lassen kann. Aber man muss sich auch ehrli­cher­weise einge­stehen, dass Jobsicherheit längst ein Relikt aus vergangen Zeiten ist. Die eigenen Ziele hinten anzustellen ist mehr als fahrlässig.

Wir leben in einer Ära des digitalen Kapitalismus, in der immer mehr Jobs durch Computer und Roboter ersetzt werden. Automatische Telefonansagen, online Vergleichsportale anstelle von Maklern in der wahren Welt, Teigknetmaschinen in Bäckereien, automa­tische Fehlerauslesung in der Autowerkstatt, Großmaschinen in der Landwirtschaft die eigen­ständig ernten, U-Bahnen ohne Fahrer, Easy-Order Automaten bei McDonald’s an denen Kunden am Touchscreen ihre Bestellung eingeben… Und das ist nur ein Vorgeschmack auf’s große Fressen.

Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis zum Beispiel die deutsche Bahn die Schnauze voll hat von Gewerkschaftsstreiks und die Lokführer bald nicht mehr für Lohnerhöhungen streiken, sondern gegen die Automatisierung ihrer Jobs.

Die Arbeit geht uns nicht deshalb aus, weil wir zu blöd sind. Es ist keine reine Frage der Bildung mehr. Vielmehr werden die meisten Menschen über kurz oder lang keine Arbeit mehr finden, weil unsere Arbeitskraft ersetzt wird. Weltweit sind jetzt schon über eine Milliarde Menschen unter­be­schäftigt oder ganz erwerbslos. Doch je knapper die Jobs werden, desto mehr versuchen wir selbst zur Maschine zu werden statt uns zu verweigern und rauschen gradewegs dem Burnout entgegen. Die Produktivität je Arbeitsstunde stieg laut dem Statistischem Bundesamt allein zwischen 1991 und 2011 um 34,8 Prozent!

Lass uns lieber schrumpfen.

 

Zu meiner Zeit als Hotelfachmann wurden viele Personalabgänge gar nicht erst neu besetzt und einfach versucht zu kompen­sieren, um Lohnkosten zu sparen. 12-Stunden Tage und 6-7 Tage Wochen waren keine Seltenheit und Überstunden nicht bezahlt. Stattdessen hat man sich „Guttage“ aufge­türmt, die man eh nie abfeiern konnte. Kein Wunder also, dass sich immer mehr Kollegen aus der Branche verab­schiedet haben. Aber natürlich ist das ein branchen­über­grei­fendes Problem. Und anderorts weit schlimmer als hier.

So werden z.B. beim chine­si­schen Apple-Zulieferer Foxconn statt die Arbeitsbedingungen zu verbessern, Netze am Gebäude gespannt, nachdem sich eine ganze Reihe Arbeiter aus dem Fenster gestürzt haben, um nicht mehr in 16-Stunden Schichten unsere Smartphones zusammen bauen zu müssen!

Kapitalismus frisst nicht nur die Arbeit auf, sondern auch die Arbeiter. Wachstum um jeden Preis. Nicht mehr lang und die billigste mensch­liche Arbeitskraft wird teurer sein als eine Maschine. Wirtschaftswachstum geht NICHT MEHR einher mit Neuschaffung von Arbeitsplätzen. Und trotzdem wird Arbeitslosigkeit meist als indivi­du­elles Versagen angesehen, statt als Fehler im System. Ändert ja am Endergebnis für den Arbeitslosen auch nichts.

Lasst uns lieber schrumpfen und den Arbeitswahn abschütteln, statt ihn an die nächste Generation weiterzugeben.

MOST MEN DIE AT 25,
WE JUST DON’T BURRY THEM UNTIL THEY ARE 7O.”
BENJAMIN FRANKLIN

Ich selbst arbeite oft bis spät abends und es macht natürlich nicht immer Spaß. Das wird Arbeiten nie tun, selbst wenn man seinen Traumjob ausübt. Der Unterschied ist aber, dass ich eine Sinnhaftigkeit in ihr sehe und weiß, ich helfe anderen Menschen ein selbst­be­stimm­teres Leben zu führen. Ich weiß, ich hinter­lasse etwas. Und das ändert alles.

Und, was machst du so?

Work smart, not hard.

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30 Kommentare
  • Rosemarie Lenske
    Veröffentlicht am 22:27h, 12 August Antworten

    Das ist ein sehr guter Artikel.

    • Bastian
      Veröffentlicht am 09:07h, 13 August Antworten

      Dank dir Rose 🙂

  • Astrid Wezel
    Veröffentlicht am 07:13h, 13 August Antworten

    Wow; Bastian, Du triffst den Nagel auf den Kopf. 

    Ich arbeite zurzeit als freibe­ruf­liche Dozentin bei einem Bildungsträger und sehe tagtäglich die Auswirkungen dieses kranken Systems, in dem den Menschen Vorwürfe gemacht werden, wenn sie nicht für den Mindestlohn oder weniger (auch das gibt es leider immer noch) oder unter Menschen verach­tenden Bedingungen arbeiten wollen. Stattdessen werden sie unter Druck gesetzt und schlimms­ten­falls in den Selbstmord getrieben (auch das habe ich schon erlebt). Ich tue, was ich kann, die Menschen, mit denen ich arbeite, zu ermutigen, ihr eigenes Ding zu machen, zumal die meisten davon träumen. Allerdings, den Mut dazu finden die wenigsten.

    Um so wichtiger sind Blogs wie der Deine!

    • Bastian
      Veröffentlicht am 09:07h, 13 August Antworten

      Hallo Astrid,

      dank dir vielmals für deinen Kommentar! Ich finde es immer spannend, wenn Leute wie du, die wirklich einen Einblick haben, das System kritisch betrachten und hinter­fragen. In einer Zeit in der die meisten Großkonzerne nur noch Zeitarbeiter einstellen, möchte keiner wirklich für eine unsichere, unter­be­zahlte Stelle 2 Stunden zur Arbeit fahren. Man muss sich wirklich auf kurz oder lang Alternativen schaffen um dem “Schmerzensgeld-System” zu entkommen. Und ich finde es toll, dass du Leute dazu ermutigst.

      Beste Grüße

  • Steffi
    Veröffentlicht am 14:11h, 13 August Antworten

    Hallo Bastian, ich verfolge deinen Blog schon länger. Eigentlich von Anfang an.
    Dieser hier ist ein großar­tiger Artikel und man merkt überdeutlich, daß du hinter dem, was du schreibst, auch zu 200% stehst!
    Du fängst gerade an, über dich hinaus­zu­wachsen ;-). Glückwunsch und mach weiter so, ich glaube, dann können wir hier noch so einiges erwarten!
    Liebe Grüße, Steffi

    • Bastian
      Veröffentlicht am 14:19h, 13 August Antworten

      Hey Steffi,
      danke vielmals für dein Lob. Das motiviert weiter den Erwartungen gerecht zu werden 🙂

      Liebe Grüße

  • Christine Dorn
    Veröffentlicht am 19:07h, 18 August Antworten

    Beruf hat im Idealfall etwas mit Berufung zu tun: Das, was man tagtäglich macht, tut man gern und dieser Umstand erfüllt. Aus diesem Grund dürfen die Berufswahl und das spätere Tätigkeitsfeld durchaus etwas länger dauern als nur die Monate Ausbildung.
    Berufliche Tätigkeit, “was machst du so?”, hat bestimmte Voraussetzungen, z.B. techni­sches Können und Verständnis. Zugleich spielt die Schulbildung mit hinein: Hat derjenige z.B. die Mittlere Reife oder einen Quali? Das sagt nichts über die mensch­lichen Qualitäten aus. Stimmt. Aber es steckt rasch einen Rahmen von möglichen Gesprächsthemen ab. Einem Realschüler muss vielleicht die Geschichte der Oper kurz umrissen werden, einem Abiturienten sollte sie bekannt sein. Ein Mittelschüler ist vielleicht nicht sonderlich eloquent. Aber – keine Regel ohne Ausnahmen. Persönliche Interessen bieten immer noch die spannendsten Gespräche – sobald man ein gemein­sames Thema gefunden hat.
    Zudem kristal­li­siert sich durchaus schnell heraus, wie grund­sätzlich engagiert das Gegenüber in seiner Berufsfindung ist. Es gibt (leider) durchaus Leute, zum Glück nur wenige, die in erster Linie “Lebenskünstler” bzw. von Beruf Sohn oder Tochter sind bzw. sein wollen. Sie lassen sich mit mehr oder weniger Geld treiben, bis sie vielleicht dort sind, wo sie sich hinge­träumt haben. Verantwortung? Das Wort kennen sie nicht. Andere dagegen schon. Sie machen eine Ausbildung und zeigen somit Verantwortung für ihr eigenes Leben. Somit können sie später auch Verantwortung für andere übernehmen: für eine Partnerschaft und für Kinder und schließlich auch in der und für die Gesellschaft. Dies zeigt sich vor allem bei Ehrenämtern. Was wäre denn unsere Gesellschaft, wenn niemand mehr z.B. zur freiwil­ligen Feuerwehr ginge? Wie leer sähen die Gemeinden ohne die vielen Vereine aus!
    Wer die Frage nach dem Beruf nur mit Geld und “Status” assoziiert, denkt zu einseitig. Wer neugierig auf den Menschen mit der (ungewöhn­lichen) Berufswahl ist, hat hoffentlich eine wichtige Bekanntschaft gemacht.

    • Bastian
      Veröffentlicht am 03:50h, 20 August Antworten

      Hey Christine,
      danke für deinen tollen und ausführ­lichen Kommentar. Es gibt natürlich immer 2 Seiten der Medaille. Ich spreche hier auch mehr von persön­lichen Erfahrungen. Denn was ich schade finde ist, dass in den seltensten Fällen das Gespräch über die beruf­liche Tätigkeit hinaus geht. Oft gestalten sich diese Konversationen mehr wie eine Abfertigung. Wenn man die Frage gestellt bekommt “Was machst du so?” würde kaum jemand sagen “Ich stricke gern” oder “Ich zeichne gern Karikaturen” oder sonst was. Und das ist in meinen Augen schade, weil so viel inter­es­santere Gespräche entstehen würden. Und da spielt der Bildungsgrad dann eben keine Rolle. Keine Verurteilungen, keine Oberflächlichkeit und auch keine Abstempelung als “Lebenskünstler”. Denn dieses Wort allein hat in dem von dir genannten Kontext ja auch schon eine negative Wertung. Nicht jeder Lebenskünstler ist privi­le­gierter Sohn oder Tochter. Mindestens 80% der Weltbevölkerung sind Lebens- oder gar Überlebenskünstler. Und ich habe weit inter­es­santere Gespräche mit genau solchen Menschen geführt. Natürlich ist es schön, wenn man sich um finan­zielle Aspekte weniger Sorgen machen muss als jene Menschen, aber wie man das erreicht muss jeder für sich selbst entscheiden. Eine Ausbildung zu absol­vieren geht für mich nicht einher damit Verantwortung übernehmen und ich finde ein jeder ist nur für sich selbst verant­wortlich (abgesehen von Familie und Kindern natürlich). Aber ich würde nicht soweit gehen zu sagen, dass ich aus einem Verpflichtungsgefühl dem Staat oder der Gesellschaft gegenüber arbeiten gehe. Ich arbeite um die Ziele zu erreichen, die ich mir selber stecke. Und das können genau so noble Ziele oder Ansprüche sein, wo wiederum die erwähnten Ehrenämter ins Spiel kommen. Die “Verantwortung” die man dabei übernimmt wählt man ja komplett aus eigenen Zügen und nicht weil man von Beruf XY ist.

      Beste Grüße

  • Thomas Albiez
    Veröffentlicht am 15:21h, 24 August Antworten

    Das Zitat von John Lennon mag ich sehr. Es passt in diesen sehr wichtigen und sehr schönen Beitrag. 

    Kennst du dieses Zitat?

    Mir ist auf der Straße ein sehr armer junger Mann begegnet, der verliebt war. Sein Hut war alt, sein Mantel abgetragen; Wasser rann durch seine Schuhe. Aber Sterne zogen durch seine Seele. (Victor Hugo)

    Es geht zwar um Liebe, aber denke das Passt auch zum Leben. 

    Weiter so Bastian!

    • Bastian
      Veröffentlicht am 12:28h, 27 August Antworten

      Hey Thomas,

      nein das kannte ich noch nicht. Wirklich sehr schön. Dank dir! Könnte in einem meiner Newsletter landen 😉

  • Linda Gruber
    Veröffentlicht am 08:43h, 27 August Antworten

    Toller Artikel, Bastian! 🙂

    Ich habe dieses Phänomen auch bemerkt, vor allem wenn ich immer mit meiner Freundin unterwegs war. Ich arbeite ganz einfach in einem Büro auf der Krankenkasse. Und sie studiert: Tanzpädagogik. Wenn man neue Leute kennen­lernt, da fragen die bei mir nicht weiter nach, was ich eigentlich genau mache, WARUM ich diesen Job mache, oder was ich lieber machen würde ^^. Und meine Freundin wird mit Fragen überfordert: “VOLL inter­essant, erzähl mir mehr!” Ich hasse die Frage: “was machst du so?”, denn wenn ich sage, dass ich im Büro arbeite kommt immer dieser Blick (wie du schon erwähnt hast), der mir vermittelt: “Wie langweilig.” – ABGESTEMPELT 😉 ich denk mir immer: “Hey Alter, ICH bin NICHT meine Arbeit!” Nach Hobbies, Leidenschaften, Interessen wird weniger inter­es­siert bzw. erst viel später gefragt, kommt mir oft vor.

    Das Beispiel mit Foxconn finde ich ERSCHRECKEND. Es läuft wirklich vieles falsch auf der Welt.

    Hugs,
    Linda

    • Bastian
      Veröffentlicht am 09:32h, 28 August Antworten

      Hey Linda,

      dank dir! Du musst schon zugeben – Tanzpädagogik klingt voll interessant 😀

      Spaß beiseite, ich denke aber auch, dass mittler­weile die Arbeit für viele Leute eine so zentrale Rolle im Leben einnimmt, dass so manche eben doch kaum mehr in ihr eigenes Leben hinein lassen und deshalb auch nicht viel mehr zu erzählen haben. Jene freuen sich dann natürlich über die Arbeitsfrage und schlachten sie so weit aus wie möglich, solang eben die Aufmerksamkeit anhält 🙂

      Grüße

      • Linda Gruber
        Veröffentlicht am 07:55h, 31 August Antworten

        Haha da hast du recht, es ist auch interessant 😀
        Da stimme ich dir voll und ganz zu!

  • Sören
    Veröffentlicht am 13:24h, 27 August Antworten

    Großartiger Artikel, nichts “fürchte” ich mehr als die Frage “und-was-machst-du-so”, dieses Gefühl sich immer recht­fer­tigen zu müssen 😀 Ich finde es auch super, daß du techno­lo­gisch bedingte Arbeitslosigkeit ansprichst, damit wird sich der Kapitalismus über kurz oder lang den eigenen Ast absägen, wenn keiner mehr eine Arbeit hat (um sich sein Einkommen zu verdienen) woher soll denn dann das Geld für den zykli­schen Konsum kommen? Es sei denn es werden immer weiter sinnlose Bullshit Jobs geschaffen. David Graeber hat das sehr gut beschrieben https://strikemag.org/unsinniger-jobs/ Arbeit sollte vom Einkommen getrennt werden! 🙂

    • Bastian
      Veröffentlicht am 09:59h, 28 August Antworten

      Hey Sören,
      dank dir vielmals. Und auch für den Link. Sieht schon direkt nach Krawall aus 😀 Auch inhaltlich spitze, voller inter­es­santer Aspekte. Danke dafür.

      Beste Grüße

  • Sebastian Fahrenkrog
    Veröffentlicht am 07:51h, 19 Oktober Antworten

    Moin, moin aus Wuppertal 

    Wow, ich bin ehrlich gesagt wirklich erstaunt über die große Abneigung gegen die Frage nach der Arbeit und möchte daher gerne eine weitere Perspektive einbringen. 

    Ich selber frage auch oft nach der Arbeit des anderen, aber einfach nur aus Interesse. Ich versuche immer neue Standpunkte/Lebensmodelle zu entdecken, um selber davon zu lernen und meinen Gesprächspartner kennenzulernen. 

    Ich bin nicht meine Arbeit” schreibt hier jemand. Ggf. ist dass das Problem. Als Selbstständiger bin ich gerne meine Arbeit, weil es meine Leidenschaft ist bzw. mein zum Beruf gewor­denes Hobby. Vielleicht ist es ignorant, aber ich gehe bei meiner Frage erst einmal davon aus, dass es bei meinem Gegenüber auch so ist. 

    Wenn ich jemanden nach seiner Arbeit frage, dann meistens weil ich ihn sympa­thisch finde und instinktiv überlege ob man nicht auch zusammen arbeiten kann. Viele meiner guten Freunde sind auch gleich­zeitig meine Geschäftspartner geworden (oder waren erst meine Geschäftspartner). 

    Das Leben ist einfach zu kurz um mit unsym­pa­thi­schen Leuten zu arbeiten.

    Also, wenn ihr das nächste Mal gefragt werdet: ggf, ist derjenige nur ein selbst­stän­diger Unternehmer der euch mit der Frage nicht bewerten will, sondern einfach davon ausgeht das ihr auch Eure Arbeit liebt und gerne darüber redet oder einfach mehr über euch erfahren will. 

    Übrigens: wenn die Unterhaltung dann auf einmal stockt, dann kann das auch an Eurer Antwort liegen bzw. an Eurer Darstellung was ihr denn täglich macht. Manchmal kann man darauf nämlich einfach nichts mehr sagen…

    Viele Grüße
    Sebastian

    • Bastian
      Veröffentlicht am 12:02h, 19 Oktober Antworten

      Hey Sebastian,

      ein Wuppertaler 🙂 Danke für deinen Kommentar. Toller Input! Es lässt sich hierbei – genauso wie überall – nicht einfach über einen Kamm scheren. Und bei fast jedem Punkt den du nennst, bin ich bei dir. Der Text basiert haupt­sächlich auf persön­lichen Erfahrungen im Umfeld von nicht Selbstständigen. Je mehr ich durch meine Arbeit langsam auch in andere Kreise komme, ändern sich auch die Gespräche. Aber du wirst nicht leugnen können, dass der Großteil der Angestellten ihre Arbeit als notwen­diges Übel ansehen und tatsächlich “nicht ihre Arbeit sind”, oder gar sein wollen. Die wenigsten sind tatsächlich so privi­le­giert, etwas tun zu können, dass ihnen Freude bereitet.
      Und dann gibt’s natürlich noch jene, die völlig überheblich sind, weil sie Titel XY haben und auch jeden spüren lassen wollen, dass man nicht auf ihrem Level sei.

      Man merkt ja recht schnell, mit welchem Schlag Mensch man es zu tun hat. Ich bin sicher keiner, der auf diese Frage dann nicht nett antwortet 🙂
      Beste Grüße

      • Sebastian Fahrenkrog
        Veröffentlicht am 14:50h, 19 Oktober Antworten

        Wuppaaaataaal! 😉 Dein Blog ist allein aus Lokalpatriotismus schon in meiner RSS Liste gelandet!

        Ich weiß genau welche Leute du meinst! Deshalb ist meine zweite Frage (nach der Antwort was mein Gegenüber so macht) dann auch meistens: “Und machst du deinen Job gerne?”. Bis jetzt fand ich die Antworten wirklich inter­essant. Leider muss ich sagen, dass es viel zu viele Leute gibt die erklären, dass Sie ihre Arbeit nicht gerne machen. Aber auch dass ist dann ein guter Ansatzpunkt für weitere Gespräche.

        • Bastian
          Veröffentlicht am 21:51h, 19 Oktober Antworten

          Das schreit ja schon fast nach einem Treffen 😉 Danke für den Support.

          Ist zwar schon so, dass die meisten hier in den Kommentaren ihren Job nicht mögen, aber immerhin haben sie es schon auf eine Seite mit dem Namen “Officeflucht” geschafft. Steckt ja zumindest schon eine Intention hinter 🙂

  • Falco
    Veröffentlicht am 13:10h, 04 März Antworten

    Leiter einer Agentur für inter­na­tionale Online-Projekte wäre meine konforme Kurzform für dich. Gesprächsthema abgehakt 😉

    • Bastian
      Veröffentlicht am 18:52h, 09 März Antworten

      Ist einen Versuch wert 😀

  • Bettina Heilinger
    Veröffentlicht am 12:52h, 24 Juli Antworten

    Hallo Bastian!

    Ich z. B. LIEBE meinen Beruf – zum Leidwesen meiner Eltern, weil es kein “normaler” Beruf ist in dem man regel­mäßig ´”gutes” Geld verdient.
    Ich bin Handpuppenspielerin und besitze eine mobile Kasperlbühne mit der ich in Kindergärten, udgl. gerne zu Gast bin. Da ich natürlich nicht jeden Tag von 6 bis 18 Uhr arbeite 🙂 geht das meinen Eltern voll gegen den Strich und sie meinen ich liege anderen nur auf der Tasche. Aber warum? – Gut, ich habe sehr viel Freizeit (nicht nur 5 Urlaubswochen wie andere), aber ich zahle Sozialversicherung und ab nächstem Jahr wahrscheinlich auch Steuern. Ich komme mit sehr wenig aus (Minimalist) und das “zipft” sie an.
    Ich bin heuer 45 geworden und mir geht ihr Genörgle sowas auf den Keks.

    Lg Bettina

  • Jojo und Jezz
    Veröffentlicht am 10:32h, 30 Oktober Antworten

    Super Artikel! Punkt!

  • Paul Komoszki
    Veröffentlicht am 02:12h, 03 November Antworten

    Nun, ich weiß wirklich nicht wie ich diesen Kommentar gefunden habe. Kaputte Seelen ziehen mich halt magisch an . Die Frage nach dem was du tust – ist genau so berechtigt wie die nach dem was du isst (wahrscheinlich bist du Veganer) – Du scheinst in der Gesellschaft sehr verloren zu sein – denn außer Fremden hat ja niemand auf dein Manifest hier geant­wortet – und sollten es Freunde sein – so sind sie so verloren wie du auch. Niemand findet das Glück in der Armut. Sollte das dein Taxifahrer getan haben, dann ist das immer noch ein eine gute Mime zu einem schlechten Spiel. Es ist schon richtig, dass Geld, Ruhm etc. nicht das Glück bedeuten – aber genau sowenig ist es die Askese. Du begibst dich gerade auf einen sehr schlechten Weg den ich persönlich sehr gut kenne – es nennt sich “Weltschmerz” – es ist so gefährlich wie Kokain. Weine nicht um die Welt – versuche sie etwas besser zu machen – das reicht…

    • Bastian
      Veröffentlicht am 07:31h, 03 November Antworten

      Wow, das sind ja wirklich einige Mutmaßungen, mit denen du dich ziemlich weit aus dem Fenster lehnst. Ich bin doch kein Veganer!!! 😀 

      Aber mal im Ernst – kaputte Seelen? Verloren in unserer Gesellschaft? Ich sehe wirklich nicht, wie du sowas irgendwo zwischen den Zeilen gelesen haben willst. Es ist zwar allgemein inter­essant, wie der Artikel wahrge­nommen wird (btw. haben mich mehr Mails als Kommentare dazu erreicht), aber ich für meinen Teil LIEBE mein Leben. Insbesondere wenn ich zurück denke an vor etwa 1,5 Jahren. Da war das anders, weshalb ich ja diesen Blog gestartet habe. Ich dachte eigentlich, dass das aus dem letzten Absatz hervorgeht. Außerdem wird in diesem Artikel doch keineswegs die Armut angepriesen. Vielmehr versuche ich ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es einen Mittelweg gibt der erstre­benswert ist.

      Liebe Grüße aus Bali.

  • Hannes
    Veröffentlicht am 17:07h, 06 November Antworten

    Bastian, danke für diese ehrlichen Worte. Aber die Frage aller Fragen ist doch: Wie antwortest Du auf die Frage “und, was machst Du so?” 🙂

  • Sheyla
    Veröffentlicht am 13:47h, 22 Oktober Antworten

    Die Frage kenne ich auch zu gut.
    Direkt gefolgt von „Kann man denn davon leben?“
    Ich bezeichne mich dann gern als Lebenskünstlerin. „Und wie Sie sehen, lebe ich.“
    Es lohnt sich, die Gesichter der haupt­be­ruflich Normalen dabei zu sehen. 😉
    Ich habe aufgehört, ihnen erklären zu wollen, was ich mache, mich dafür zu recht­fer­tigen, dass ich eben keinen sicheren Job habe, sondern tue, was für mich gerade anliegt.

    Dein Blog ist eine großartige Inspiration, Danke und weiter so!

    • Bastian
      Veröffentlicht am 19:32h, 22 Oktober Antworten

      Vielen Dank Sheyla! In naher Zukunft wird auch wieder viel mehr Content kommen 🙂
      LG aus Panama.

  • Andy Rothmann
    Veröffentlicht am 20:13h, 14 Januar Antworten

    Hi Basti,

    ich bin nicht der Typ, der wahnsinnig viel Kommentare schreibt (ich glaub dies ist sogar mein erster). Meiner Erfahrung nach triffst du mit dem Satz “Dabei geht es gar nicht um den sozialen Nutzen eines jeden, als viel mehr um Prestige und Schwanzvergleich” genau den Nerv, Meiner Erfahrung nach geht es mit Gesprächen mit “alten” Schul-“freunden” nur darum sich zu profi­lieren. Die Fragerei wird duch sogennante “Jahrgangstreffen” sogar insti­tu­tio­niert . Hier freuen sich pseudo Priviligierte darüber, eine Veranstaltung durch­zu­führen und mich dazu überreden zu wollen auch zu kommen, um eventuell Leute da zu haben, welchen Sie sich überlegen fühlen. Ich vertrete hier aber die Meinung, dass ich mit den Leuten von früher, mit welchen ich Kontakt haben will sowieso Kontakt habe, Den Rest muss ich nicht haben.
    Noch schlimmer ist die Frage “Wie geht es dir?”. Ich gehe dann immer gern hin und frage ob der- oder diejenige ne Stunde Zeit Zeit haben, damit ich dir Frage ernsthaft beant­worten kann.
    Eventuell habe ich mich zu sehr an dem Satz aufge­hangen ;D

    Grüße und dank noch einmal für den FBA Workshop
    Andy

  • Christian Löffler
    Veröffentlicht am 14:18h, 01 Oktober Antworten

    Moin,

    ich habe heute deinen Blog entdeckt und kann dir diesen Artikel nur zustimmen. Ich bin zwar jetzt kein direkter “Digitaler Nomade”, denn ich brauche meinen festen Wohnsitz; aber das heißt noch lange nicht, dass ich mir den Mund verbieten lasse. Denn häufig werde ich schon abgestempelt, wenn ich viele Dinge “realis­ti­scher” sehe und so daher keinen Anschluss in der Gesellschaft bekomme. Möchte ich auch gar nicht, umso mehr habe ich gelernt, über alles zu stehen und liebe daher mein Leben. 🙂 (siehe auf meinem Blog)

    Christian Löffler

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